Sofaschlitzer

Her mit den Zitaten. Setzt euch zu mir. Macht es euch bequem auf meinem Sofa. Dachte sie und hob den Rock. 

»Nicht schon wieder«, lachte eines der Zitate. »Wir haben genug zu tun. Such dir einen anderen Idioten.«

Ich denke nicht daran, dachte sie. Sie knipste den Fernseher an, schlurfte durch die Kanäle, und wieder aus und triumphierte. Keine Ahnung, warum sie überschwenglich war.

Hob den Hörer, verabredete sich mit einem Typen, den sie vor ein paar Wochen mit einem Diktiergerät befummelt und schließlich aufgefordert hatte, seine Nummer draufzusprechen. Dann saßen sie also zu zweit auf einem anderen, auf einem schwarzen, auf seinem Sofa.

Sie unterhielten sich darüber, welche Frage am Ende der Tage übrig bleiben, worauf sich alles zuspitzen würde. Die Frage entwischte ihnen immer wieder; sie kamen auf keinen grünen Zweig, wie die Alten gesagt hätten. Irgendwann sagte sie: Wir bilden das Sofa-Schlitz-Kollektiv, und hob ihr Glas.

Sofas sind der Schlüssel zu allem. Wer kein Sofa hat, ist verdächtig. Sogar die Penner unter den Brücken haben eins. Sie gehören zu uns. Aber auch wer Sofas bestellt oder kauft oder nachmacht oder nachgemacht verkauft, ist verdächtig. Ein gutes Sofa ist immer schon da. Weil es aber keinen vernünftigen Grund gibt, ein gutes Sofa jemals definitiv zu verlassen, und gleichzeitig kein vernünftiger Mensch fünfzig Jahre und länger auf einem Sofa sitzen mag, irren die meisten ein Leben lang zwischen Sofa und Sofa – und kommen nicht zur Ruhe.

Weil sie es alleine tun, sagte die Schlitzerin. Wovon redest du, sagte ihr Freund. Ich habe nur laut gedacht, antwortete sie und bohrte trotzig einen ihrer langen Nägel in den heiligen Stoff.

Das Loch wurde größer mit den Jahren. Unverhofft landete es, mitsamt dem Sofa drumherum, in einem alten Fabrikgebäude in einem Wiener Außenbezirk. Stand unschlüssig im Weg. Kiffte ab und zu. Hörte Reggae. 

Die Musiker Frisch, Schlägl, Kienzl und Holzgruber liebten das Teil. Sie fragten nicht lange und stellten es in ihr Studio. Wenn sie sich von ihren Sessions erholten, ließen sie sich darin fallen, versanken darin, schmiedeten Pläne, wie die Alten gesagt hätten. Einer sagte irgendwann: Wir bilden die Sofa Surfers, und alle hoben das Glas.

Der Rest ist Klang ohne Frontmann und »begnadetes Sofasitzen«, wie sich eins der Zitate freut. Diebischer Dub, ungefähr Rockers Hifi mit hektischem, neuem Getriebe: Gitarre, Baß, Schlagzeug, dazu elektronische Drum-Loops, Plattenspielerdröhnung, Videocollagen, und rein in das Mischpult. Wenig schmiegsames jazzy Midtempo-Einerlei. Kein Wiener Dauer-Delirium zwischen Kaffeehaus und Kruder & Dorfmeister. »Die Gemütlichkeit hinterfragen«, sagt Schlägl, der, abgesehen von seinem Zivildienst (Immigranten-Integration) und dem Programmieren von Sounds, eben am liebsten auf alten Sofas herumkaut.

Her mit den irgendwas. Wir haben genug zu tun. Ich denke nicht daran, dachte sie.

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© by Monsieur Farkas, 2016