Chronik

1997
Eröffnung eines literarischen Salons in München, Blumenstraße 3, der sich in den folgenden Jahren unter dem Namen Blumenbar großer Beliebtheit erfreut. Wenn gerade keine Lesungen oder Clubabende stattfinden, wohnen hier der Journalist Wolfgang Farkas und der Verlagsfachwirt Lars-Birken-Bertsch.

2002
Ungezählte Salonabende und Literaturevents in der ganzen Stadt später: Blumenbar bringt ein erstes Buch heraus. Verlagsgründungsnacht in der Alten Kongresshalle mit über tausend Gästen. Der Kollektivroman einer Nacht, auf einer Faxrolle getippt, wird entwendet und ist unwiederbringlich verloren. Dafür erscheint Franz Xaver Karls Debüt Memomat als erster Verlagstitel. Mitgetragen wird die Gründung von zahlreichen Freundinnen und Freunden sowie Mitgliedern des Blumenbar-Clubs, einer lokalen Community. Der Vertrieb besticht durch eine unschlagbare Ökobilanz; die Verleger bringen jedes Buch persönlich mit dem Fahrrad in den Handel.

2003
BuchMarkt-Award in Gold für den besten Gesamtauftritt eines Verlags. Der Roman The Cocka Hola Company des norwegischen Schriftstellers Matias Faldbakken trifft ins Herz des Feuilletons. Der Verlag akquiriert Buchhandelsvertreter und hat jetzt auch eine reguläre Auslieferung.

2004
Blumenbar rockt die müde wirkende Branche – und organisiert auf der Frankfurter Buchmesse erstmals das Fest der jungen Verlage. Flankierend gründet Blumenbar gemeinsam mit kookbooks, Orange Press, Tropen, Verbrechern und anderen den informellen »Arbeitskreis Junge Verlage«. Die Novelle Arraia von Anne Zielke erscheint im Feuilleton der FAZ als täglicher Vorabdruck. Hunter S. Thompsons The Rum Diary wird zum ersten kleinen Bestseller. Die Edition Zigarettenroman mit Kurzromanen prominenter Autoren revolutioniert ein klassisches Genre: den Warnhinweis.

2005
Der Verlag muss neue Visitenkarten drucken lassen und firmiert inzwischen als Blumenbar Verlag GmbH & Co. KG.  Die Gründer werden zu Geschäftsführern: Wolfgang Farkas für Lektorat und Presse, Lars Birken-Bertsch für Marketing, Vertrieb und Herstellung. Im Hofgarten, jenem magischen Ort, der schon von T.S. Eliot, Bernward Vesper und Charles Schumann besungen wurde,  betreibt der Verlag im Zuge einer freundlichen Übernahme die Bar im Kunstverein – mit italienischer Espressomaschine, roten Vorhängen, Murano-Aschenbechern und temporärem Dancefloor. Für »Die Zeit« schreibt Jana Hensel unter dem Titel Dichtung und Wahrheit über den Hype der jungen Verlage, den aktuellen Lieblingen des Feuilletons.

2006
Großangelegte Ausstellung und Auktion unter dem Titel »Leben – eine Gebrauchsanweisung« im Haus der Kunst. Schirmherr ist Chris Dercon, seines Zeichens Museumsdirektor mit Sympathie für subkulturelle Events. Das Motiv »Neulich an der Isar« auf der Einladungskarte stammt von Daniel Josefsohn. Im gleichen Jahr nimmt die Neue Pinakothek der Moderne Blumenbar-Bücher in ihre Graphische Sammlung auf. Münchner Kammerspiele und Blumenbar starten die Nachtlinie als neue Plattform für Literatur, Musik und Performance, Barbetrieb inklusive; Uraufführung an der Kammer von Macht und Rebel von Matias Faldbakken, inszenziert von Schorsch Kamerun.

2007
Die Leipziger Buchmesse veranstaltet auf Initiative der Jungen Verlage erstmals die Leseinsel der Independents. Blumenbar-Autor PeterLicht erhält beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt den 3sat-Preis mitsamt Publikumspreis, nimmt ihn aber persönlich nicht entgegen, da er sein Gesicht nicht öffentlich zeigen will. Bei seiner Lesung darf er nur ohne Kopf gefilmt werden (was die Laune des 3sat-Kameramanns nicht eben hebt).

2008
Dank der unerwarteten sechsstelligen Einlage eines Risikokapitalgebers aus Frankfurt können Telefonanlage und Konferenztisch erworben und feste Mitarbeiterinnen für Presse und Vertrieb eingestellt werden, Julia Strack und Monika Schaub; die beiden Gründer bilden zusammen mit Bernhard von Guretzky die Verlagsleitung. Auf der Frankfurter Messe schenken livrierte Kellner am Verlagsstand Champagner aus. Leonard Cohens Buch der Sehnsüchte entwickelt sich zum Publikumserfolg und wird mit rund 10.000 Exemplaren zum bislang bestverkauften Titel. Die Chronik  Mjunik Disco erscheint nach drei Jahren Recherche, bringt bei der Book-Release-Party im Pacha die halbe Stadt und mindestens drei Generationen zum Tanzen und wird von Rainald Goetz umgehend als Instantklassiker zelebriert.

2009
Das Jahr der Umbrüche. Die Zahlen machen den neuen Investor nicht glücklich. Der neue Investor macht den Verlag nicht glücklich. Auf Initiative des Verlags wird erstmals und in Abgrenzung zum Deutschen Buchpreis in einer Instantaktion der Preis der Hotlist ausgerufen. Mit dem Berlin Verlag, einer Tochter von Bloomsbury, London, wird ein mittleres Verlagshaus als Vertriebspartner gewonnen (der, wie sich leider zeigen sollte, vor allem mit der eigenen Zukunft beschäftigt ist). Die Wege der beiden Gründer trennen sich im Herbst: Birken-Bertsch führt das Münchner Büro; Farkas zieht nach Berlin-Mitte und ist für das Berliner Büro in der Klosterstraße 44 zuständig, zwei Etagen über dem legendären WMF, mit Hendrik Rohlf, Henriette Gallus und Nike Rasche an Bord. In Kooperation mit Berlin Verlag und Maxim Gorki Theater wird die literarische Clubreihe Hardcover ins Leben gerufen. Zum ersten Abend kommen rund sechshundert Gäste aus allen Ecken der Stadt. Aufbruchsstimmung.

2010
Im Frühjahr erscheint das Manifest der Vielen, herausgegeben von Hilal Sezgin, ein vielstimmiger Gegenentwurf zu Thilo Sarrazins »Deutschland schafft sich ab«. Die Buchpremiere im Maxim Gorki Theater findet vor ausverkauftem Haus statt. Das »Manifest« wird zum erfolgreichsten Verlagstitel und kommt sogar unter die Top 40 der Spiegel-Beststellerliste. Der am schnellsten produzierte Verlagstitel wiederum wird I am Airen Man des Bloggers und Schriftstellers Airen. In der Mai-Ausgabe von »Literaturen« erscheint ein vierseitiges Verlagsporträt, in dem Blumenbar als Factory im Geiste Warhols beschrieben wird. Der amerikanische Schriftsteller David Woodard zieht für drei Monate ins Verlagsbüro – das erste und einzige Blumenbar-Stipendium. Lars Birken-Bertsch scheidet als Geschäftsführer aus, bleibt dem Verlag aber als Gesellschafter erhalten.

2011
Nach einer Dekade Independent Publishing sind die Kräfte erschöpft. Eine Bibliothek der Gegenwart ist entstanden. Die vielleicht letzte dieser Art, ausschließlich analoge Orginalausgaben. Zeit für eine Pause. Zeit für etwas Neues. Als letzter Titel erscheint im Herbst der Roman Mein Name ist Revolution von Imran Ayata.

2012
Das Blumenbar-Büro macht Ferien für immer; die Marke Blumenbar wird im Frühjahr an die Aufbau Verlagsgruppe verkauft. Auf Seite Drei der Süddeutschen Zeitung erscheint unter dem Titel »Sag mir, wo die Blumen sind« eine finale Würdigung von Thorsten Schmitz.